04. Januar 2024

Die Nacht veränderte sich. War sie bisher fahl und matt, kalt und blau, glitt sie nun über in einen neuen Zustand und fing langsam an, wohlig und voll zu vibrieren, in einem so satten Orange, dass wir sie Fantanächte nannten. Wir lagen auf dem Rücken, die Schultern fest in den Boden gedrückt und schauten in den Himmel. Durch die Bäume fiel das neue Licht, das wir schon kannten, das sich seit ein paar Jahren andeutete und sich allmählich immer kraftvoller zum Jahreswechsel manifestierte. Unser Atem kondensierte und der Wind trieb ihn wie einen Zauber davon. Wir schwiegen lange. So lange, bis sich unsere Atemzüge synchronisierten. Ich stelle mir uns vor, von oben, wie in einem Film, eine langsame Kamerafahrt, vom leicht geöffneten Mund langsam emporsteigend, jeden Moment den Ausschnitt vergrößernd, das lockige, dunkle Haar auf der Stirn, die leicht unförmige Nase, das Muttermal unter dem linken Auge, den Kehlkopf, dein schöner Hals, die Schultern, das sanfte pulsieren der Brust, fast wie im Schlaf, die leicht ausgestreckten Arme, an deren Ende zehn Finger fest ineinander in einen neuen Körper übergehen. Und dann liegen wir da und man würde uns sehen, in einer Totale; und im Kino würde man unsere Atemzüge hören, als wären sie fast in einem selbst und von ganz hinten würde ein melancholischer Synthesizer schieben, harmonisch, traurig und dann schließlich dissonant.

[Totale aus der Vogelperspektive; nach langer, sanfter Kamerafahrt nun Zeitraffer; die Körper pulsieren wie in diesen Videos auf YouTube: plant growing time-lapses; ein großer Organismus]

Wir haben Angst davor, dass uns alles entgleitet. Wir spüren, die Nächte verändern uns. Wenn wir uns schlafen glauben, sickert etwas in uns ein, imprägniert unsere Träume, unsere Gehirne, unser Denken. Wir glauben, dass sich nachhaltig etwas verändert: Wie wir die Welt sehen; nicht fundamental, sondern wir glauben, es handelt sich um leichte Verschiebungen. Wenn wir aufstehen und uns bewegen, wenn wir uns grüßen und uns umarmen, dann bemerken wir es. Wir müssen wachsam bleiben und die Veränderungen dokumentieren. Vielleicht spielt es am Ende keine Rolle. Wir fühlen uns wärmer und wir glauben, wir leuchten wieder.